neubau stadtbibliothekt, stuttgart, fertigstellung 2011

Als Standort des Neubaus wurde die zentrale, leicht geneigte Lage inmitten des städtebaulichen Planungsgebiets Europaviertel gewählt. Dieses Gebiet erstreckt sich im Talkessel der Stadt zwischen dem südlich gelegenen Hauptbahnhof und der nördlich angrenzenden Heilbronner Straße. Die Stadtbibliothek liegt am Mailänder Platz und stellt durch Gestaltung und Größe die Mitte des entstehenden Stadtviertels dar. Der in der geometrischen Form eines Würfels geplante Baukörper mit einer Kantenlänge von ca. 45 Metern wirkt nach außen mit dem hellgrauen Sichtbeton und den mattierten Glasbausteinen durch seine körperlich spürbare Präsenz. | Das Gebäude besteht aus Volumen, Hülle und Kern. In der Fuge befinden sich die Erschließungen.  Während der Baukörper mit entschieden klarer, geometrischer Form und fokussiertem Eingang vom „Kenotaph für Newton“ von Étienne Boullée inspiriert wurde, wird mit dem „Herzen“ der Bibliothek der antike Raumtyp Pantheon vor dem Hintergrund unserer veränderten technischen Wirklichkeit neu interpretiert. Es wird gleichsam von einer zweiten Fassade umschlossen und liegt als würfelförmiger Raum in der Mitte des Gebäudes, durch ein zentrales Oberlicht erhellt. Also ein Raum für die innere Einkehr. | Sein „Oculus“ mündet in den darüberliegenden trichterförmigen Lesesaal. Bei dem abgestuften Galeriesaal handelt es sich wiederum um einen jahrtausendealten Raumtyp, der von den Architekten immer wieder aufgegriffen worden ist, wie z.B. im Entwurf für die französische Nationalbibliothek von 1785. Jetzt wird er zeitgemäß umgesetzt, allerdings in einer kompakten, quadratischen Form und als fünfgeschossiger Raum, dessen Hülle aus Büchern besteht, so dass man ein Reich aus Büchern einmal richtig erlebt. Die spiralförmig angeordneten, inneren Erschließungstreppen in den Lesegalerieebenen sind als fließende Flanierwege konzipiert. Das Licht flutet durch das Glasdach. Das Glasdach wird zum Raum mit einer Gitterrostabhangdecke abgeschlossen, damit der Raum noch schlichter und purer wahrgenommen wird. Ebenso wird das Glasdach oberhalb komplett mit Sonnenschutzlamellen abgeschlossen, damit der Baukörper ein vollkommener Kubus wird. | Der dritte zentrale Raum befindet sich unterhalb des Herzens. Das ursprünglich zur Mitte hin abgestuft geplante „Forum“ ist wegen der zum Teil im ersten und zweiten Untergeschoss kreuzenden U-Bahn-Trasse und auf Wunsch des Nutzers als höhengleicher, ebener Veranstaltungsraum ausgeführt. So entstand hier ein flach proportionierter, quadratischer Raum, welcher die Thematik „Morphose des quadratischen Raumes“ vervollständigt. Das Gesamtbauvolumen befreit sich vom flachen, quadratischen Raum über den vollkommenen Kubus zu einem sich nach oben hin auflösenden Raum. | Wir sind Anfang des neuen Jahrtausends mit unserer Architektur an einen Punkt gelangt, wo es gilt die Grundtypen der Architektur wieder zu entdecken und in ihren wesentlichen Eigenschaften neu zu interpretieren. Die Aussage wird dadurch unterstrichen, dass alle überflüssigen Elemente nicht verwendet und die bestehenden Elemente auf die Kernaussage reduziert werden. Hier haben wir alle gemeinsam an einem Bauwerk gearbeitet – einem absolut homogenen und ruhigen, monolithischen Bau, der viele geheime Werte unserer Zivilisation birgt. Sie werden soweit neutralisiert bis sie epochenübergreifend einen allgemeinen Wert besitzen und soweit geschliffen, dass nur unser reiner Geist in die Materie projiziert wird.

stadtbibliothekt, Stuttgart, 1. Preis, international, 1999

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